116° Fahrenheit, das sind fast 47° Celsius… es geht in die Wüste
… und wir haben Angst.
Angst vor den Temperaturen, Angst vor dem Druck auf den Kopf, wenn die Luft und Hitze sich unter dem Helm staut und Angst vor der mörderisch langen Fahrt… 4 1/2 Stunden hat das Navi ausgerechnet… ohne Pausen, wohlgemerkt. Das bedeutet, dass wir mit Pausen mindestens 5 – 6 Stunden unterwegs sind, wahrscheinlich eher länger. Normalerweise ist das kein Problem, aber bei 47°C wird es zur Tortur, wenn nicht gefährlich…
Damit es überhaupt einigermaßen erträglich ist, haben wir schon gestern Abend beschlossen, mit Sonnenaufgang loszufahren und die erste Pause erst nach 2 1/2 Stunden zu machen. Auf diese Weise hoffen wir Phoenix noch vor der absolut heißesten Zeit zu erreichen.
Dennoch, als wir schließlich um kurz nach 6 h auf dem Motorrad sitzen, ist es schon schwülwarm und der Wind bläst uns heiße Luft entgegen. Es hat sich, wie auch schon in der Nacht vorher, nicht wirklich abgekühlt und so starten wir unsere Wüstentour bereits mit einer Temperatur von 92°F , das sind etwa 34 °C.
Wir haben jetzt 4 bis 5 Stunden Zeit bis es sich auf die Tageshöchsttemperatur von 47°C aufheizen wird.

Aber der Augenblick ist wunderschön. Wir fahren der Sonne entgegen, die langsam hinter den Bergen aufgeht. Der Himmel verfärbt sich von zartrosa bis orangerot. Eine wunderbar friedliche Stimmung…

… und doch nur ein Innehalten bevor ein neuer brütend heißer Tag beginnt. Die Natur holt Luft, atmet entspannt auf, bevor sich alles wieder vor der unerträglichen Hitze verkriecht und auf den Abend wartet. Das ist der Lauf der Zeit in der Wüste… und wir sind mittendrin….

Der Wettlauf mit der Zeit und gegen die Hitze beginnt…
Wir schlagen den Weg Richtung Joshua Tree NP ein. Noch einmal geht es in der aufgehenden Sonne in diesen wundersamen Park, diesmal mit der BMW.

Es gibt zwei Wege von Twentynine Palms Richtung Phoenix. Man kann komplett die Interstates nehmen und den Nationalpark umfahren, oder aber zuerst Richtung Süden durch den Park fahren und dann am Südende auf die Interstate 10 stoßen. Diesen Weg werden wir nehmen, denn er ist nicht wirklich länger und definitiv der schönere…
So kommt das Biest also doch noch in den Nationalpark. Außerdem haben wir zumindest zu Beginn der Etappe noch paar schöne Kilometer vor uns, bevor es auf der Interstate nur noch geradeaus geht. Es gibt noch einen weiteren positiven Effekt dieser Strecke. Hier ist es tatsächlich etwas kühler! Mit jedem Höhenmeter den wir im Park erklimmen sinkt die Temperatur ein wenig und durch die angrenzenden Berge fahren wir teilweise auch noch im Schatten… sehr angenehm!

Im Park selber sind es auch mit der aufgehenden Sonne „ nur“ 30°C und einigermaßen angenehm zu fahren. Die Straßen sind total leer und gehören uns. So kommen wir zügig voran. Außerdem ist hier oben der Fahrtwind tatsächlich etwas kühler. Es ist schon verrückt, noch vor etwa einer Woche sind wir bei diesen Temperaturen schon eingegangen und waren total k.o., jetzt freuen wir uns darüber, dass es noch nicht komplett heiß ist… der Körper vergleicht halt nur…

Mit einer traumhaften Aussicht auf die Landschaft crusen wir durch den Nationalpark

… immer der Sonne entgegen.



Mit der Zeit wird aber genau das ein Riesenproblem…

Die Sonne steht so, dass sie direkt in Andrés Augen scheint.
Dieses Problem hatten wir schon öfter. Eigentlich hat André mit seinem Helm schon die ganze Tour über Theater! Es fing kurz nach Seattle an, als wir im Olympic Nationalpark feststellen mussten, dass der Schirm seines Helmes derart schlackerte, dass er von der Vibration Kopfschmerzen bekam. Toll! Da hat er sich extra für die Tour einen neuen Helm gekauft…. eine Enduroversion mit Schirm, weil es gegen die Sonne praktisch erschien… und dann so etwas!
Bei der Probetour Anfang Juni in den Alpen war alles ok… aber da ist er auch mit der Africa Twin gefahren und hatte ein anderes Windschild am Moped. Hier bei der BMW scheinen durch das verlängerte Windschild irgendwie total ungünstige Verwirbelungen zu entstehen, die regelrecht am Schirm zerren und reißen. Einstellen ließ sich das Ding natürlich nicht, Also schmiss André kurzerhand das olle Teil weg und fuhr ohne Schirm weiter. Schließlich hat der Helm auch noch eine integrierte Sonnenblende. Das rächt sich jetzt! Die Sonnenblende ist leider sehr schwach, weshalb bei dieser Sonnenstrahlung zusätzlich eine Sonnenbrille getragen werden muss.
Das alle ist zwar nervig, wäre aber kein Problem. Das eigentliche Problem ist die total dämliche Bauart des Helmes.
Die Entwickler haben eine völlig unnötige Kante am oberen Rand des Visiers eingeschliffen… Soll wohl schick aussehen, ist aber gelinde gesagt ein großer Scheiß! Durch diese Kante bricht sich nun das Licht der Sonne und findet einen Weg vorbei an der integrierten Sonnenblende und der Sonnenbrille darunter. Bingo! Eigentlich unbrauchbar!

Damit quälte André sich schon die ganze Zeit herum, wenn wir gegen die Sonne fuhren und es war echt nervig, aber heute ist es sehr extrem und da wir die ganze Zeit mehr oder weniger Richtung Osten fahren ist es auf Dauer auch echt gefährlich!
Wirklich sehen kann André nur etwas, wenn er mit seiner linke Hand die Augen vor der Sonne schützt. Das bedeutet, er hat ständig nur eine Hand am Lenker.
Zum Glück ist hier die Straße komplett leer und es bleiben nur die Kurven und der ein oder andere Hubbel im Asphalt, aber wenn es nachher auf die starkbefahrene Interstate geht? Da müssen wir etwas ändern. Es reicht, dass es mörderheiß ist und wir unter dem Helm das Gefühl haben, dass der Kopf wegschmilzt. Da brauchen wir nicht noch die zusätzliche Herausforderung, im Blindflug zu fahren!
Was also tun?

Irgendwann reicht es uns und wir gehen zu Plan B über.
Diese Option hatten wir schon vorher einmal diskutiert, aber aufgeschoben, da der Helm durch den operativen Einsatz, den wir nun vornehmen für alle Zeiten verschandelt und wahrscheinlich später nicht mehr wirklich brauchbar ist (wenn sie Sonne mal wieder weg ist 🤪).




Die total unbrauchbare (und definitiv nicht schicke!) komische eingeschliffene Kante am oberen Rand des Visiers wird kurzerhand mit Panzerklebeband abgeklebt 💪🏻!

Die Mädels wundern sich und lachen sich schlapp aber…


Voila! Jetzt geht die Fahrt deutlich entspannter weiter!

… weiter durch die wunderschöne, einsame Landschaft des Nationalparks, die Bergketten im Blick und rechts und links von uns nichts außer Steppe und sandiger karstiger Boden….


Die meiste Zeit fahren wir der Sonne entgegen, hin und wieder haben wir sie aber auch von der Seite und manchmal scheint so uns in den Nacken. Mit jeder Minute, die wir fahren gewinnt sie an Kraft und erinnert uns daran, dass wir keine Zeit für Pausen haben sonder Gas geben müssen um Kilometer zu fressen.

Im Wettlauf gegen die Zeit und die Hitze …

… ein letztes Mal wird es schattig und wir atmen auf. Die Fahrt geht durch die Bergketten am Südausgang des Nationalparks. Sobald wir sie durchquert haben erwartet uns nur noch flaches, plattes, wüstes Land und die unerbittliche Sonne.

Da ist sie, die Interstate 10. Eine endlos lange Straße, die sich durch die Wüste fräst. Die Luft flimmert, die Sonne brennt unerbittlich auf uns nieder. Sobald wir die Höhen des Parks verlassen haben schlägt uns die Hitze wieder mit voller Wucht entgegen. Aber noch ist es knapp 100°F , etwa 38°C, also geht es nach einem kurzen Sammeln und Wassertrinken sofort weiter… solange es noch einigermaßen erträglich ist.



Vor uns liegen knapp 230 Meilen Asphalt durch die Wüste, immer geradeaus, langweilig, fad und in der sengenden Sonne….

Nach einer knappen Stunde Fahrt verändert sich die Landschaft ein bisschen. Das Oasenphänomen hat uns wieder. Wir durchfahren Blythe, eine Wüstenstadt direkt an der Grenze zwischen Kalifornien und Arizona. Der Coloradoriver bildet hier die natürliche Grenze zwischen den beiden Bundesstaaten und sorgt mit seinem Wasser für einen grünen Streifen Landschaft inmitten der tristen Wüste.

Hinter Blythe beginnt Arizona.
Es ist kurz vor 8h. Was fällt auf? Die Straße ist etwas schlechter, die Sonne brennt immer noch unerbittlich. Das Thermometer ist inzwischen auf 100°F geklettert und das Navi hat mal wieder den Geist aufgegeben und…
auf einmal wachsen hier diese typischen Arizona Kakteen 🌵am Straßenrand.
Es ist wirklich witzig. Wir fahren die ganze Zeit durch diese Wüste und auf der kalifornischen Seite stehen Palmen, Sträucher und all so ein Wüstengewächs aber kein einziger dieser speziellen Kakteen und sobald wir die Grenze nach Arizona überqueren stehen sie da…
Woher wissen die Pflanzen, wo Arizona anfängt? 🤪

… aber daneben gibt die Strecke nicht spektakuläres her… weiter geht es immer geradeaus durch die zunehmende Hitze. Inzwischen ist der Fahrtwind so heiß, dass wir das Gefühl haben unsere Haut verbrennt. Da ist ein kleines Stückchen freiliegende Haut am Bein, da wo die Socke aufhört und die Jeans hochgerutscht ist und da bläst die heiße Luft bei unserer Reisegeschwindigkeit von 120 km/h so dagegen, dass wir dachten, wir wären aus Versehen an den Motor bzw. den Auspuff gekommen und hätten uns verbrannt. Denkste! War Nordic Luft! 🙈🤪😳

Um 8h 20 erreichen wir unser Zwischenziel: Quartzsite. Ein unspektakulärer Ort mitten in der Wüste.
Ausgewählt, weil er etwa auf der Hälfte der Gesamtstrecke liegt und ein Restaurant hat, das Frühstück anbietet.


Das hätten wir schon einmal geschafft! Froh über die Pause und hoffentlich baldige Abkühlung im Restaurant klettern wir vom Motorrad und kehren in das Mountain Quail Café ein.


Das Café ist ein richtig schönes typisches amerikanisches Diner. Genau so etwas hatten wir gesucht und brauchen wir jetzt auch nach diesem Trip. Ein uriger Ort, wo die Einheimischen frühstücken und sich gegenseitig den neuesten Schwank aus dem Leben erzählen und es ein super amerikanisches Breakfast mit Hashbrowns und Omlett gibt… und ☕️ 😅!







Lustige Anekdote am Rand: Auf die Frage, was wir trinken wollen und unsre obligatorische Antwort „Leitungswasser ohne Eis“ antwortet die Kellnerin: „Ihr wollt hier garantiert kein Wasser ohne Eis! Das Wasser kommt hier fast kochend aus der Leitung, da muss Eis rein, damitnes Körpertemperatur hat!“ 😳🙈

Leider ist auch diese nette Pause irgendwann vorbei, das Essen verputzt und der dritte Kaffee getrunken… es nützt alles nichts, wir müssen aufbrechen und weiterfahren. Zurück in die Hitze, zurück auf die Straße und weiter Richtung Phoenix.





…ach ja, was hier in Arizona an diesem Highway auch anders ist als auf dem kalifornischen Stück… es gibt extra ausgewiesenen Rastplätze. Auch schön, dann kann man zwischendurch h wenigstens mal anhalten um einen Schluck Wasser zu trinken ohne Angst haben zu müssen, dass einen so ein Monstertruck überrollt…


Um 12:30 erreichen wir Avondale und die Ausläufer von Phoenix. Bis zum Hotel ist es eigentlich nicht mehr weit. Trotzdem verlassen wir den Highway für einen kurzen Halt, um uns in einem Fastfoodtempel abzukühlen . Nach nem halben Mc Flurry und gefühlten 100 Litern Wasser geht es dann weiter. Die letzten Kilometer auf dem Highway durch Phoenix bis zum Hotel.

Das Thermometer springt inzwischen zwischen 115 und 116°Fahrenheit und wir haben die Nase gestrichen voll…






Es wird noch einmal nervig mit der Fahrerei auf dem Straßengewirr auf Phoenix‘ Cityhighways. Ein Wirrwarr aus Brücken, Auffahrten und Tunnels… aber zum Glück ohne Stau und mit relativ „ leeren“ Straßen (verglichen mit den chaotischen Zuständen) in L.A.




Um 12:50 erreichen wir schließlich schweißgebadet bei 47°C das Hotel. Endlich! Geschafft! Knapp 7 Stunden und 270 Meilen liegen hinter uns.

Auch diesen Teil der Tour haben wir heile überstanden 😉, allerdings haben wir überhaupt keine Lust mehr auf diesen Helm und die Motorradjacken, geschweige denn die patschnassen Handschuhe…

Jetzt wollen wir erstmal nur duschen und ins klimatisierte Zimmer aufs Bett… ausruhen und überlegen, was man mit dem restlichen Tag so macht bei der Hitze, denn die Motorradübergabe haben wir für morgen Vormittag ausgemacht.

Was macht man in Phoenix bei 47°C? Unser Programm für den restlichen Tag in Phoenix:
Schlafen… irgendwann aufwachen und in einem wirklich tollen vegetarischen Restaurant vietnamesisch essen, anschließend ins Kino🍿… Mission Impossible … perfekt 👌!


