Hört sich eigentlich gar nicht so schlimm an oder? 200km Tagesetappe bis zu unserem nächsten Ziel: Somoto Canyon in Nicaragua.

Wären da nicht diese zwei Grenzübergänge. Beide haben den Ruf besonders schwer zu sein, weil sie endlos viel Zeit in Anspruch nehmen, der nach Nicaragua soll der schwerste in ganz Mittelamerika sein. Mit einem entsprechend flauem Gefühl in der Magengegend und Mordsrespekt machen wir uns also auf den Weg. Hoffentlich klappt das. Zwei Grenzübergänge an einem Tag…
Erstmal müssen wir überhaupt vom Hof herunterkommen. Das elektrische Tor ist zu, keine Menschenseele zu sehen. Ich hatte gestern extra gefragt, ob das Tor auf ist, wenn wir morgens so früh aufbrechen und die Frau am Empfang hatte genickt und gesagt, es wäre jemand da…
André betätigt die Serviceklingel am Tresen. Nix passiert. Ich gehe ums Haus rum, an der Seite sehen die Räume so aus, als würden da die Eigentümer wohnen, unaufgeräumte Küche, leere Babyschaukel… ich klopfe. Nix passiert. Gut es ist jetzt erst 6:32, wir wollten um 6:30 los… aber so langsam wird’s nervig. Nochmal Serviceklingel bedienen… mehrmals. Nix. Ich gehe nochmal zu der Tür, versuche sie zu öffnen. Die ist natürlich zu, ich klopfe nochmal, ne eigentlich hämmere ich diesmal. Nix. Als ich schon dabei bin auszukundschaften, ob die Eisentreppe an der Seite wohl in das obere Stockwerk führt, höre ich ein Gerumpel. Die Tür öffnet sich und ein total verpennter Typ steht da vor uns und macht uns mehr oder weniger wortlos das Tor auf. Er fragt noch kurz, ob wir zur Grenze wollen, wünscht ne gute Reise und verschwindet wieder. Das Tor bleibt dann heute wohl auf 🤣!

André fährt die nicht vorhandene Straße zur Hauptstraße hoch und ich laufe hinterher.

Weiß der Geier warum die da nicht einfach mal einen mit nem Bagger drüberfahren lassen, damit es wenigstens den Ansatz einer Schotterstraße hat. So hat man den Eindruck einfach den Baranco hoch und runter zu fahren, so wie ihn die Natur geschaffen hat. Gestern Abend im Halbdunkeln, bei unserem dubiosen Bierausflug habe ich mir da schon fast die Haxen gebrochen. Schon seltsam, rechts und links riesengroße Häuser mit Pool aber kein Weg.
Auf der Hauptstraße entdeckt André, dass das Rattern von Gestern immer noch da ist. War wohl doch nicht die Halterung vom Tankrucksack.
Also stopp, anhalten, nachschauen. Mit irgendeinem dubiosen Klappern wollen wir nicht zwei Grenzübergänge fahren.
Der Übertäter ist schnell gefunden. Den Steinschlagschutz des Scheinwerfer hat’s zerlegt. Auf der einen Seite ist eine Schraube weg und an der zweiten ist das Plexiglas gebrochen. Nun schlackert das Ding nur noch einseitig befestigt herum. Nichts schlimmes (wahrscheinlich aber mal wieder total übertrieben teuer in der Neuanlage… BMW halt 🙄) aber wenn wir es so lassen, ist’s nachher komplett im Arsch und der Scheinwerfer ungeschützt.



Also Panzerklebeband und Kabelbinder raus und ran an die Reparatur.
Dauert nicht lange, aber kostet uns dennoch etwa 10 Minuten diese Aktion. Minuten, in den in schön regelmäßigen Abständen die fetten Trucks an uns vorbei fahren… alle in Richtung Grenze.
Toll, genau die wollten wir eben nicht direkt vor uns haben!

Wie gedacht, sehen wir die alle etwa eine halbe Stunde später wieder….
Ist hier denn schon die Grenze? Langsam fahren wir an einer Kilometerlangen Karawane aus aneinander gereihten LKW vorbei. Hier scheint irgendein Checkpoint zu sein, an dem die alle halten und warten müssen. Wir zum Glück nicht.
Danach geht es reibungslos weiter bis wir zur Grenze kommen. Wir erreichen einen riesigen Kreisel und sehen anscheinend so orientierungslos aus, dass uns diverse Grenzbeamte, die da an allen möglichen Stellen positioniert sind, zuwinken und einweisen. Sehr freundlich! Ruckizucki wissen wir wo wir hinmüssen: großes weißes Gebäude, Rampe 1. Es geht über einen riesigen Parkplatz zu einem Gebäudekomplex, der aussieht wie eine dieser Megalagerhallen von Amazon, an die die LKW zum be- und entladen fahren… deshalb auch die Rampen. Heute morgen sind fast alle Rampen leer. Ganz am anderen Ende stehen drei LkWs … das wars. Wir haben anscheinend echt großes Glück, dass hier noch so wenig los ist, vielleicht weil Sonntag ist und der 1. Advent, wer weiß?!

Ein Zollbeamter winkt uns schon entgegen. Ich steige ab und laufe mit unserem TIP zur Rampe. Er nimmt den Zettel entgegen mit der Aussage, ich solle hochkommen. Ich renne die Rampe hoch zu dem kleinen Kabuff, in dem er verschwunden ist. Draußen sitzen schon drei Typen und warten. Die gehören wahrscheinlich zu den LKWs. Kurz danach kommt ein anderer Typ raus und fragt, ob wir noch einmal nach El Salvador zurückkommen wollen. Als ich verneine nickt er und verschwindet wieder. Keine 5 Minuten später halte ich einen Wisch in den Händen mit der Erklärung, dass ich das für die Einreise nach Honduras brauche und wir jetzt zur Migration müssten… am Kreisel, die dritte Ausfahrt.

Prima, das ging schnell. Wir schwingen uns aufs Moped, fahren wieder an den diversen Grenzleuten vorbei, die wiederum den Weg zeigen und landen schließlich an dem Migrationsgebäude. Auch hier ist nix los, nur freundlich winkende Menschen, die uns sagen wo es langgeht.
Die Ausreiseprozedur aus El Salvador ist ebenso easy wie die Einreise. Höfliche Frage, ob Englisch oder Spanisch als Sprache bevorzugt werde, kurze Frage, wo es hingeht, Stempel, kleiner Zettel für die Grenzbrücke und gute Reise. Vorbildlich!
Auf die Frage, ob wir Kopien vom entwerteten TIP machen müssten, verneint der Grenzbeamte. Ich überlege noch, ob das stimmt (hatte bei anderen Overland-Reisenden gelesen, dass das so wäre) da steht auf einmal ein Typ in beigefarbenem T-Shirt mit El Salvador Schlüsselband um den Hals vor uns und sagt, dass er von Honduras sei um zu helfen. Dabei wedelt er mit einer einigermaßen offiziell aussehenden Karte herum, die an dem El Salvador Schlüsselband hängt. Gut, ich frage ihn wegen der Kopien und ab da hatten wir unseren persönlichen Helferschatten 🙈.
Rein in den Copyshop direkt vor dem Migrationsgebäude. Der Typ sagt dem Mitarbeiter genau, welche Kopien wir brauchen. Im Anschluss gibt er mir die Kopie des entwerteten TIPs sowie das Original und sagt, das müsste ich an der Brücke abgeben. Den Stapel mit den anderen Kopien für Honduras behält er mit der Aussage, er würde mit uns rüber fahren und das für uns machen…
Na prima! Den haben wir jetzt an der Backe, wenn diese „Hilfe“ nicht teuer wird…
Ist jetzt auch egal, in Anbetracht der Tatsache, dass wir ja später noch eine Grenze vor uns haben, kann das ja nicht schaden, wenn sich einer drum kümmert, dass es flott geht.

… und wie der sich kümmert! Er radelt vor uns her über die Grenzbrücke. Die kleinen Zettel werden eingesammelt, das war’s.
Dann parken wir drüben die BMW vor dem Migrationsgebäude. Die Schlange wartender Leute geht schon bis nach draußen. Na prima… aber unser neuer Helferfreund quatscht ein paar Leute an und schwups leitet er uns an der Schlange vorbei zu den Schaltern. Danach verschwindet er mit der Aussage, er würde sich schon mal um den Zoll kümmern, wir würden ihn dann am Moped treffen… Kurze Frage einer Dame, ob wir aus oder einreisen wollen und schon geht’s zum Schalter. Pass abgeben, 3$ pro Person bezahlen, Stempel, Quittung für die 3$ und fertig.

Keine 5 Minuten später stehen wir wieder draußen. Von unserem Helfer keine Spur, also gehen wir zum gegenüber liegenden Zollgebäude. Da sitzt er brav auf einem Stuhl und wartet.
… und jetzt kommt eine der skurrilsten Situationen, die wir bisher beobachten konnten. Aus Berichten von anderen Overland-Reisenden wissen wir, dass sie hier in diesem Häuschen gut und gerne 2 Stunden verbrachten.
Eine Bild wie aus einem schlechten Film. Ein mittelgroßer Raum, rechts komplett zugestellt mit einem Regal, das mit Stapeln von Kopien vollgestopft ist. Geradezu zwei Schreibtische, einer links in der Ecke, der andere rechts. Auf der linken Seite ein weiterer seitlich aufgestellter Tisch, an dem völlig teilnahmslos eine Oma sitzt, sich genüsslich in der Nase bohrt und dabei am Handy daddelt.
Davor in etwa zwei Metern Entfernung ein Stuhl, auf dem bislang noch unser Helferfreund saß, der nun aber mit angeboten wird.
Wir warten.
An dem rechten Tisch sitzt eine Frau, die recht unbeteiligt dreinblickt. Vor sich diverse Stapel irgendwelcher Zettel. Sie unterhält sich schnatternd mit einem dicken Mädchen, dass am Nachbartisch hinter einem Computer sitzt und hin und wieder mal was eintippt.
Neben ihr steht ein Typ, der sich zwischendurch auch mal an der Unterhaltung beteiligt, ansonsten aber damit beschäftigt ist Sandwiches zuzubereiten.
Der Rest der Schreibtisches ist mit mehreren Styroporverpackungen belegt, die nach und nach mit den Sandwiches befüllt werden.
Der Typ drückte literweise Mayonnaise in das Weißbrot, während die Oma am Nebentisch sitzt und immer noch in der Nase bohrt. Inzwischen muss sie schon im Kleinhirn angekommen sein.
Oha, so wie hier gearbeitet wird, glaube ich sofort, dass das ganz schön lange dauern kann!
Inzwischen kommt eine weitere Frau rein, wird freudig begrüßt und alle fangen an ihren Bauch zu betatschen … Aha schwanger!
Der Typ mit den Sandwiches ist inzwischen dabei, die Styroporverpackungen zu schließen und auf diverse Plastiktüten zu verteilen.
Oma popelt immer noch…
Der Sandwichtyp und die Frau vom Nebentisch beginnen eine Verabschiedungszeremonie, anders kann man das nicht nennen, bei der Länge die das braucht. Küsschen hier, Küsschen da, Bauch tätscheln… und dann sind sie endlich weg.
Zurück bleibt die Oma (immer noch auf der Suche nach ihrem Kleinhirn), die Schwangere, die sich inzwischen hingesetzt hat und die Dicke hinter dem Computer.
Aus dem Radio trällert Forever Young von Alphaville (unglaublich) und das Mädel hinter dem Computer fängt tatsächlich an sich mit unserem TIP zu beschäftigen.
Vor ihr steht unser geduldig wartendes Helferlein und beantwortet ihre Fragen. Er hatte uns vorher eingebläut ihn reden zu lassen, sonst würde das alles ewig dauern. Glaub ich sofort!
Nach einer gefühlten Ewigkeit, die gute Dame musste sich zwischendurch ja noch mit ihrer schwangeren Kollegin unterhalten und das eine oder andere Liedchen aus dem Radio mitsingen, kommt die Aufforderung an uns 40$ zu zahlen. Aha, ist anscheinend teuer geworden… die Leute, von denen wir hörten, hatten 35$ bezahlt… oder vielleicht Adventszuschlag, mich wundert hier gar nichts mehr.
Egal, wir übergeben die 40$ und sind durch. Draußen übergibt uns unser Helferlein die Papiere und eröffnet seine Rechnung: 20$ für die Leute beim Zoll, sonst hätte es viel länger gedauert. Wir waren jetzt eher davon ausgegangen ihm 5$ für seine Hilfe zu geben, aber gut. Wir geben ihm schließlich 10 für die „Leute“ und seine 5 und düsen ab.
Schlitzohren allesamt! Aber immerhin, wir haben alles in allem für diese Grenze nur 1 Stunde gebraucht, für El Salvador und Honduras… das ist schon rekordverdächtig und die 15$ auf jeden Fall wert…

Erste Grenze geschafft!
Wir fahren kurz dahinter erstmal eine Tankstelle an. Hier erwartet uns schon die nächste Gelegenheit einer Gesellschaftsstudie.

Die Tanke ist mistneu und hat auch ein vernünftiges Café mit Sitzgelegenheit. An der Tür erwartet uns ein schwebewaffneter Sicherheitstyp. Aha, hier wird also wieder alles schwebewaffnet bewacht. So auffällig war das zuletzt in Mexico.
Der Typ ist happy, dass er was zu tun hat, öffnet uns die Tür und hat ab da nur noch Augen für die BMW. Schwer verliebt anscheinend… auf jeden Fall gut für uns und irgendwie süß, denn er beobachtet mit Argusaugen jeden, der sich unserem Motorrad nur ein bisschen nähert.


Wir sitzen nicht lange bei unserem Kaffee und total süßen, fast nur aus Schokolade bestehenden Croissants, als die Tür aufgeht und ein paar ziemlich gut genährte englisch sprechende Leute reinkommen… offensichtlich Amerikaner.

Direkt neben der BMW hat ein gelb grüner Reisebus geparkt, auf dem Dach tonnenweise Gepäck festgeschnallt. Nacheinander kommen aus dem Bus immer mehr Amerikaner. Die Tür geht immer wieder auf, unser bewaffneter Freund hat ordentlich was zu tun und einer nach dem anderen kommt in das Tankstellen Café.
Wie bei einer Reisegruppe üblich schwirren die Menschen aus und bedienen sich an den unterschiedlichen Regalen mit Chips, Schokolade, Getränken und was auch immer. Bergeweise wird das Zeug zur Kasse geschleppt. Ein kleiner Junge sitzt schräg gegenüber von uns und fängt plötzlich an zu heulen, weil ihm eben die Chipstüte runtergefallen ist. Daraufhin sind kommen ganz aufgeregt diverse Leute aus der Truppe angelaufen: anscheinend die Oma und die Mutter und vielleicht der Opa?
Alle beruhigen das Kind, dass er gleich eine neue Chipstüte bekommt. Unsere Meinung nach wäre das nicht wirklich nötig gewesen, weil die Chipstüte ja noch zu war. Naja, die Chipstüte landet im Müll und stattdessen sucht sich dieser Junge nun einen schönen dicken Donut aus, in den er herzhaft hinein beißt. Jetzt ist er wieder glücklich.
Ein Teil der Reisegruppe bewegt sich wieder nach draußen. Da werden wir von einem etwas jüngeren Mann in auffällig bedruckten T-Shirt (irgendwas mit Mexicotour und Totenkopf) angesprochen. Er fragt uns, ob wir den ganzen Weg von Alaska hier heruntergefahren sind. Wir kommen ins Gespräch und erzählen unsere Geschichte. Der andere Mann, den ich für den Opa hielt kommt dazu. Rechts und links Kopfhörer im Ohr, um die Hüfte eine Art Korsett geschnallt(wahrscheinlich gegen Rückenschmerzen), sieht er ein bisschen aus wie „die Bork“.
Wir fragen ihn, was das für eine Reisegruppe ist und er erzählt: Ja, das ist meine Familie! Irgendeiner aus dem Bus, wir haben nicht genau verstanden wer, hat ein Haus auf einer Insel in Honduras und die ganze Familie macht da jetzt Urlaub. Bei dem Bus handelte es sich also um einen Familienbus… und dann erklärt er noch… ja der Typ, der dahinten das Bier trinkt neben der anderen Frau. Die beiden heiraten bald und das da vorn ist meine Exfrau und jetzt kommt meine jetzige Frau. Die jetzige Frau kommt nicht nur, sondern sie ruft auch sehr energisch, dass er endlich aufhören soll, mit uns zu quatschen und stattdessen in den Bus einsteigen soll. Daraufhin trudelt der Mann ab, nachdem er sich von uns verabschiedet hat.
Die vorher kreischende jetzige Frau verschwindet im Banjo und kommt erst wieder raus, nachdem der Mann am Steuer laut hupt…
Wir sitzen da und beobachten alles völlig fasziniert. Der Bus fährt ab und wir sitzen wieder alleine in unserem Café und freuen uns, dass wir die Grenze so gut hinter uns gebracht haben.

Es geht weiter auf der Panamericana durch Honduras.

Eine meist breit ausgebaute Straße, auf der man gut fahren kann.

Heute werden wir fast ausschließlich auf der PanAm unterwegs sein.






Irgendwann macht André sich Sorgen über die Kupplungsflüssigkeit. André hat das Gefühl, da ist nix mehr drin. Bitte nicht hier und an einem Sonntag.

Bei Choluteca halten wir an und checken, was los ist. Fehlalarm, bei genauerem hinsehen sehen wir, dass der Behälter randvoll ist, deshalb sah es leer aus. Also, alles gut. Wir können weiterfahren.
Es geht ab in die Berge.
Noch etwa 100 km bis zum Ziel. Die Panamericana schraubt sich kurvenreich durch eine wunderschöne Berglandschaft.
Kühe am Straßenrand und auch auf der Straße. Kleine Ansiedlungen. Leute stehen am Straßenrand und starren uns an, als wären wir ein UFO. Ansonsten keine Menschenseele auf der Straße. Hin und wieder kommt uns mal ein Auto oder Roller entgegen, aber in unsere Richtung ist keiner unterwegs. Fühlt sich komisch an. Egal, da müssen wir jetzt durch… und es zieht sich… wie lang können denn bitteschön 100km sein?

Gegen 12:00 Uhr stehen wir vor einer Karawane LKWs. Aha, die Grenze! Aber wo kommen bitteschön die ganzen Laster her? Wir hatten nicht einen vor uns. Wie lange stehen die hier schon?
Oh Mann, das lässt nichts gutes hoffen!
Wir fahren vorsichtig an der Karawane vorbei. Eigentlich hatten wir gehofft, dass an diesem Grenzübergang nicht so viele LKW durchfahren.
Wir können direkt bis vor das Migrations Gebäude vorfahren und dort parken. Ich bin noch nicht richtig vom Motorrad abgestiegen, da kommt schon eine Frau auf mich zu gestürmt um mir zu zeigen, wo wir uns anstellen müssen. Das geht ja schon wieder gut los, sind hier auch wieder viele fleißige Helfer unterwegs?
Die Schlange an der Ein- beziehungsweise Auswanderung ist deutlich länger als bei der Einreise. Aber wir müssen dennoch nicht zu lange warten. Die Ausreise erfolgt wieder ganz schnell. Es gibt einen Stempel in den Pass und gute Reise.
Beim Zoll ist es dann etwas seltsam. Erst einmal bekommt man die Tür überhaupt nicht von außen auf und muss darauf warten, dass einem freundlicherweise jemand die Tür öffnet. Drinnen sind von ich glaube sechs Schaltern ein Schalter besetzt, Und es warten ungefähr zehn Leute.
Wir überblicken nicht wirklich, wer jetzt wann dran sein soll. Nach einem Moment des Wartens und Beobachtens gehe ich zu dem einzigen besetzten Schalter und frage vorsichtig, ob wir denn hier richtig sind. Die Dame schaut sich meine Papiere an und sagt dann, wir bräuchten Kopien… Nee ne? Für die Ausreise auch? Was für eine Papierschlacht! Als ich noch verwirrt nach dem Wo? frage winkt sie einen Typen heran, der eben schon immer raus und reingelaufen ist, und schickt uns mit dem zum Kopieren.
Der Typ zieht uns zielstrebig zu einem kleinen Häuschen direkt vor dem Gebäude und erklärt dem anderen Typen im Häuschen welche Kopien wir brauchen. Ich reiche dem Typ wie Hein Blöd die Papiere rüber, warte auf die Kopien, bezahle mit drei Quatern und trabe wieder zum Zoll zurück.
Tür auf, Schlange noch länger… wieder anstellen? Ne, keine Lust. Wir gehen direkt zu der Frau am Schalter. Die tippt gerade irgendwas ein und gibt uns zu verstehen, dass wir gleich dran sind.
Nach ner Minute nimmt sie unsere Kopien entgegen, blättert sie durch… stutzt, nochmal… , schaut auf die Kopie vom Reisepass. Da fehlt die Kopie mit dem Stempel! Na toll! Hat der Typ die falsche Seite kopiert! Wenn man nicht wie ein Luchs aufpasst… Ich stelle mich blöd, die Frau zuckt mit den Schultern, fragt nach meinem Pass, nimmt ihn und zuckelt damit zum Kopierer am Schalter nebenan.
Echt, ne? Warum kopiert sie nicht gleich alles selber oder scannt es ein, wie die Beamten in El Salvador? Stattdessen werden alle Leute unnötig durch die Gegend geschickt! Und am Ende landet der ganze 💩 auf irgendwelchen Stapeln, das guckt sich doch eh keiner mehr an! Was für ein Wahnsinn 🤪!
Egal, genug geschimpft. Wir sind mit unserer TIP Entwertung durch und können weiter. Die fiese Grenze kommt ja erst noch: Nicaragua!

Das Foto ist gute zwei Stunden später: 14:10 Uhr… wir haben die Nicaraguanische Seite auch geschafft, müssen nur noch unsere Sachen packen und können los.
Wie war die Nicaraguanische Seite? Zäh, aber noch im Rahmen…
Kleine Vorgangsbeschreibung: Überqueren der Grenze nach NIC
Die Brücke hinüber nach Nicaragua ist komplett mit LKWs versperrt, da geht nix mehr.
Wir mogeln uns an der Schlange Einreisewilliger vorbei und werden an einem kleinen Häuschen von einem Grenzbeamten aufgehalten.
Passport! Dann der Hinweis abzusteigen wegen der Desinfektion. Ein Typ, bewaffnet mit einer seltsamen Vorrichtung aus Schläuchen, Pumpen und Düsen, die auch direkt aus nem Ghostbusters Film geklaut sein könnte, macht sich über unser Motorrad her und sprüht ganz akribisch alles ab. Müssen schlimme Keime sein, die wir da aus dem Nachbarland einschleppen könnten 🙈.
Wir bekommen einen Einreisezettel zum Ausfüllen und eine Quittung für die Desinfektion, die wir dann aber nicht mehr brauchen werden und dürfen weiter fahren.
Nur wie? Vor uns eine super schmale Straße, rechts Wald, links Wald. Die Straße blockiert durch Laster, die rein wollen und Laster, die raus wollen. Keiner fährt. Zwischen den Lastern wäre eine sehr schmale Gasse, die aber durch schön säuberlich aufgereihte Pilonen versperrt ist.
Also laufe ich vor, nehme immer eine Pilone weg, stehe dabei halb unter den Lastern (und hoffe, dass jetzt bitte keiner losfährt) und André balanciert unser schwer beladenes Beast durch die Lücke, rechts und links vielleicht fünf Zentimeter Spielraum, wegen unserer Monsterkoffer (der erste Moment, in dem ich mir wünsche kleinere Koffer zu haben). Dann stelle ich die Pilone wieder zurück und laufe zur nächsten. Das ganze in voller Motorradmontur (mit Helm🤪) bei gefühlt 35 °C, Tendenz steigend… Zirkeltraining ist nichts dagegen!
Schließlich sind wir durch, ich kann aufs Motorrad hüpfen und wir fahren das kleine Stück bis zum Migrationsgebäude. Wir parken direkt vor einem Polizisten, der uns reinschickt… stempeln.
Drinnen ein kaputtes Kofferscanngerät, mehrere Beamte, die Koffer durchwühlen und eine Schlange am Schalter.
Es dauert nicht lange dann sind wir dran. Pässe abgeben, Fragen beantworten: Wo wollen wir hin? Warum? Was ist unser Beruf?
… nachdem wir diese Frage beantwortet haben ist erstmal Sendepause…
Wir werden gebeten zu warten und die anderen in der Schlange werden erstmal abgefertigt. Seltsam, ist etwas nicht in Ordnung mit unseren Berufen oder was? Teacher und Sales Manager kommt anscheinend nicht so gut an… hätten vielleicht eher Bäcker oder sowas angeben sollen 🤓.
Nach 10 Minuten und mehreren fertig gestempelten Pässen anderer Leute, frage ich, wie lange wir denn wohl noch warten müssten. Die Beamtin zeigt 5 Finger hoch und winkt ab. Na hoffentlich meint sie damit 5 Minuten und nicht Stunden…
Es dauert schließlich wirklich nur 5 Minuten, dann kommt ein Typ mit Handy und fragt uns jetzt die gleichen Fragen noch einmal auf Englisch, mit Hilfe des Google Übersetzer auf dem Handy. WR das das Problem? Mussten die erst die App installieren oder was? … und vor allem, warum breche ich mir einen ab, denen die Fragen auf spanisch zu beantworten, wenn sie dann nachher mit nem translater kommen 🙄.
Egal, wir kriegen den Stempel und fertig.
Jetzt geht’s zum Zoll. Wieder ne Schlange. Ich frag vorsichtshalber, ob ich richtig bin. Der Typ hinter der Glasscheibe schaut meine Papiere an und schüttelt den Kopf. So einfach ist das nicht. Ich muss erst nach draußen und von einem Polizisten das Einreiseformular stempeln lassen.
Draußen steht der Polizist von vorher und noch eine Frau in Uniform. Der Typ tiefenentspannt, die Frau hat Haare auf den Zähnen. Bevor die etwas abstempelt, muss sie erstmal alle Gepäckstücke sehen. Na dann viel Spaß beim Wühlen! Wir schnallen die Gepäckrolle ab und öffnen die Seitenkoffer. Sie wühlt in unserem Kram herum, wahrscheinlich auf der Suche nach ner Drohne… Wenn sie wüsste, wie sehr André die Dinger hasst 🤣. Enttäuscht gibt sie irgendwann auf und gibt dem Typ das Go für den Stempel.
Prima! Ich schnappe mir das frischgestempelte Formular und marschiere wieder zum Schalter zurück. Vor mir ist nur noch ein österreichisches Pärchen, die hatten wir an der Grenze heute Morgen auch schon gesehen,
Als ich dran bin, dauert zwar alles seine Zeit, läuft aber reibungslos. Irgendwann halte ich das TIP in der Hand. Fertig! Wir können fahren.

… um genau 14:16 fahren wir über die Grenze nach Nicaragua. Das ist eigentlich ein kleiner Rekord, wenn man bedenkt, dass wir heute morgen um 7:18 noch in El Salvador waren.
In 7 Stunden zwei Grenzübergänge und etwa 170 km Strecke… 💪🏻 Läuft!

Als wir nach Nicaragua reinfahren fühlt sich das seltsamerweise ein bisschen an wie heimkommen…
Schon schräg, in diesem Teil des Landes waren wir ja letztes Jahr noch gar nicht und trotzdem hat man das Gefühl es irgendwie schon zu kennen. Als ich André frage, ob er das auch hat, sagt er , er hätte das gleiche Gefühl. Lustig, was die Psyche so mit einem macht!
Wir erreichen sehr schnell den Somoto Canyon und die Cabins von Brian.

Die liegen direkt an der Straße und sind nicht zu verfehlen. Eine Tatsache, die uns später noch sehr ärgern wird… Hier ist es super idyllisch, die Hühner laufen über den Hof. Hin und wieder muht eine Kuh, alles ganz gechillt und superruhig, wenn da nicht immer wieder mit einem Mordsgetöse ein LKW von der Grenze langdonnern würde (und das die ganze Nacht!) Ärgerlich und schlafraubend!
Aber das wissen wir da noch nicht. Wir sind happy, so schnell da zu sein. Vor uns liegen 2 Tage in den Bergen Nicaraguas.



Unsere Cabin ist schon fertig, sehr einfach, mit Gemeinschaftsdusche und WC draußen, ein bisschen wie Camping nur ohne Zelt und da wir die einzigen Gäste sind, campen wir alleine.
Wir werden gleich von Henry, seinem Bruder und seiner Schwester begrüßt. Henry schmeißt die Cabins und die Touren, seine Schwester hat das kleine Restaurant und irgendwie laufen gefühlt noch weitere 20 Familienmitglieder herum, die irgendwie mit beschäftigt sind… ein richtig kleiner Familienbetrieb, für die Touren kommen noch Leute aus dem Dorf oder den etwas weiter entfernten Somoto.

Da wir nach der Tour zum Essen Bier trinken wollen, fährt Henry ins benachbarte Somoto.
Als Henry zurückkommt erzählt er uns, dass heute in Somoto ein großes Fest gefeiert wird. Heute ist die Pferdeparade! Da sollten wir nachmittags unbedingt hin.




Nach dem Essen packen wir erst einmal aus und machen uns dann auch gleich auf den Weg nach Somoto. Als wir zum Motorrad gehen, spricht uns Noel an. Er ist einer der Guides, kommt gerade von einer Tour und spricht super Englisch. Da er aus Somoto kommt fährt er vor. Er will uns zeigen, wo der Geldautomat ist und wo wir danach dann das Motorrad sicher parken können. Super nett!
Wir fahren schön hinter ihm her. Als wir aber in Somoto ankommen, herrscht Ausnahmezustand. Der ganze Ort ist auf den Beinen. Überall stehen Pferdeanhänger herum, Cowboys (und Girls) satteln ihre Tiere und warten auf den Anfang der Parade. Die Leute sitzen und stehen an den Straßen. Der Weg, den Noel eigentlich zum Geldautomaten nehmen wollte ist versperrt. Er sagt er kennt nen anderen, wir sollen folgen, dreht und Zack verschwindet in der Masse… tja, da hat er nicht damit gerechnet, wie lange es dauert, unser vollbeladenes BMWBeast zu wenden. Die fahren hier alle so kleine wendige Dinger und wissen gar nicht, dass man so ein großes Motorrad nicht einfach mit einem Handgriff umdrehen kann…
… auf jeden Fall ist er weg und wir finden ihn in der Masse auch nicht wieder. Die Straßen sind eh alle verstopft, also parken wir das Motorrad und gehen zu den anderen wartenden Leuten an die Straße.

Alle sind total aufgeregt. Überall laufen Leute mit kleinen Wägelchen herum um rufen Toña! Toña! Der Ort scheint fest in der Hand der Biermarke zu sein. Aus allen Ecken tönt Musik, die Leute quatschten und rufen…
… und dann kommt der erste Wagen der Parade mit einem ohrenbetäubenden Krach die Straße hinauf. Auf der Ladefläche eine Band, die diese seltsame Mischung aus bayrischer Blasmusik und Sambarythmen spielt.


Gefolgt von den Reitern auf wirklich stattlichen Pferden.

… und einem riesigen Toña-Wagen mit ebenfalls ohrenbetäubender Musik und Tänzerinnen im Glitzerlook …


Es ist wie Karneval! Man hat das Gefühl, der ganze Ort hat sich ein Pferd geschnappt und präsentiert es nun.
Wir stehen mittendrin und schauen uns das Treiben an.

Irgendwann kommt ein Typ auf einem Pferd daher geritten, zeigt auf uns und sagt auf Englisch, dass wir mit unserem Motorrad auch die Parade fahren müssten. Er fragt uns nach unserem Motorrad und stimmt eine Lobeshymne über die BMW GS an. Irgendwie scheint er schon ein paar Toña zu viel getrunken zu haben auf seinem Pferd, auf jeden Fall hat er Spaß… mit großem Hallo und Auf Wiedersehen reitet er schließlich weiter.

Wir stehen da noch eine ganze Weile und lassen die vielen verschiedenen Pferde vorbeiziehen.


Schließlich ist das Spektakel vorbei. Die Leute ziehen weiter, hinter den letzten Reitern hinterher. Wir gehen zum Motorrad und sehen zu, dass wir zum Geldautomaten und zurück zur Cabin kommen.
