Als wir nach Popayan hineinfahren ist es total wuselig und auch nicht wirklich schön. Wir kämpfen uns durch die Vororte, vorbei an schmutzigen Läden, falsch abgebogen, enge staubige Straßen … bis hin zur Altstadt…
Da macht Popayan seinem Namen alle Ehre. La Ciudad Blanca… die weiße Stadt. Wir fahren durch enge Straßen, hinein in einen Traum frühkolonialer Architektur. Hier ist architektonisch die Zeit stehengeblieben.

Wir schlafen mitten in der Altstadt in einem uralten Hotel.
Es ist umgeben von den kolonialen weißgetünchten Häusern der Stadt.


Ein bisschen dunkel ist unser Zimmer schon. Mit den dicken Mauern und Fenstern, die zum Innenhof liegen hat man das Gefühl in einer Burgfestung zu schlafen. Aber es ist super groß, mit einem extra kleinen Wohnzimmer, wo wir uns so richtig schön ausbreiten können.



Unser Moped steht sicher verwahrt im gegenüberliegenden Gebäude in einer Tiefgarage. Da wurden die alten Kellergewölbe einfach zur Garage umfunktioniert.
Von der Fahrt ziemlich platt, ist mit uns heute nicht mehr viel los. Wir hauen uns auf‘s Bett und lesen.

Zum Abendessen haben wir im hoteleigenem Restaurant einen Tisch reserviert. Hätten wir nicht unbedingt machen müssen, hier ist einigermaßen tote Hose. Kein Wunder eigentlich. Für kolumbianische Verhältnisse haben die hier einigermaßen gepfefferte Preise. Aber das Restaurant ist auch das beste der Stadt… und wahrscheinlich auch darüber hinaus noch meilenweit, französische Küche… das gibts nicht so oft.


Außer unserem Tisch ist noch ein weiterer besetzt. Irgendwelche Geschäftsleute, die furchtbar wichtig tun… der eine rennt ständig demonstrativ mit seinem Handy auf und ab und macht einen auf dicke Hose. Wahrscheinlich die kleinste Leuchte unter den Wichtigtuern 🤣.
Irgendwann kommt noch eine Truppe Mädels, die sich anscheinend was gönnen wollen und setzen sich an einen Tisch weiter weg. Wie gesagt… viel Platz.

Zum Frühstück sitzen wir dann wieder am gleichen Tisch 🙈 und ich freue mich wie Bolle über das Müsli.
Nach dem Frühstück knöpfen wir uns unser Beast vor.
Irgendwie hat die angefangen zu quietschen wie ein altes Sofa und das nervt, mal abgesehen davon, dass es nicht so toll ist wenn was quietscht und du nicht weißt warum…
Leider sind wir nicht so ganz dahinter gekommen, was das Problem ist. Nach einer gehörigen WD40-Dusche quietscht es etwas weniger, aber weg ist das definitiv nicht…
Naja, wir belassen es erstmal dabei und schauen uns die Weiße Stadt an…

Erster Programmpunkt: Auf dem Hauptplatz eine Bank finden und gucken…
… und da gibt’s so einiges zu schauen. Der Parque Caldas ist der Treffpunkt in Popayan. Komplett zu einer Fußgängerzone umgewandelt kann man hier ungestört spazieren. Dementsprechend rege wird der Park auch genutzt. In der Mitte der Anlage befindet sich, wie auf kolumbianischen Hauptplätzen so üblich, eine Statue von Francisco Jose de Caldas, einem der berühmtesten Bürger der Stadt.


Genau dorthin zieht es und erst einmal. Wir haben Glück und finden eine freie Bank direkt am Denkmal, mitten im Geschehen mit freier Sicht auf die Rückansicht des berühmten Sohnes der Stadt.
Hier sitzen und beobachten, das könnten wir den ganzen Tag machen. Der Eisverkäufer, der abwechselnd mit dem Nüsse und Gebäckverkäufer seine Runden dreht. Ein kleiner Junge, der stolz seinen Luftballon vor sich herträgt. Ein irres Teil in Flugzeugform und blaumetallic, im Kindergarten ist der damit der Held! Auf der Bank nebenan sitzt ein alter Herr und macht das gleiche wie wir… sitzen und schauen. Schräg gegenüber sitzen drei ältere Männer auf der Bank… sitzen und schauen, das ist hier die Lieblingsbeschäftigung. Zwei stehen davor. Es wird diskutiert und gefachsimpelt, wichtige Männergespräche. Irgendwann steht erst der eine Mann auf und geht, dann der andere. Der dritte bleibt.


Ihm gehört die aufgebaute Kameraapperatur, die auf der anderen Seite der Statue aufgebaut ist. Zwei kleine Spielzeugpferde stehen vor dem Denkmal und warten darauf, dass ein Kind zum Fotografieren drauf gesetzt wird. Lange warten muss er nicht. Eine Frau kommt mit ihrem Jungen, extra chic angezogen. Der Kleine wird aufs Pferdchen gehoben, der Mann verlässt seinen Posten auf der Bank und verschwindet unter einem großen Tuch hinter die Kamera. Wenn die Leute hier keine moderne Kleidung tragen würden könnte ich meinen, ich hätte eine spontane Zeitreise ins Jahr 1920 gemacht…





An einer Seite des Platzes befindet sich das Wahrzeichen der Stadt, der Torre del Reloj oder „Uhrenturm“. Die Uhr wurde von Caldas selbst entworfen und in Croydon, England, gebaut, bevor sie nach Kolumbien verschifft wurde. Nur wenige Schritte vom Torre del Reloj entfernt steht die Kathedrale der Stadt, die bei dem schweren Erdbeben im März 1983, das fast die gesamte Stadt zerstörte, schwer beschädigt wurde.
Heute steht sie wieder da in vollem Glanz. Wir kommen gerade noch so rein, bevor die schweren Tore geschlossen werden und können sie uns auch von innen anschauen.



Popayan gehört zu den Städten, die die UNESCO als kreative Stadt der Gastronomie ausgezeichnet hat.
Die Stadt wurde in das UNESCO-Netzwerk der kreativen Städte aufgenommen, aufgrund ihrer reichen kulinarischen Traditionen und ihrer Bemühungen, diese zu bewahren und zu fördern. Für uns bedeutet das natürlich, dass wir uns auf die Suche nach besagten kulinarischen Traditionsgerichten begeben.



Erste Station unseres kulinarischen Rundgangs ist das kleine einfach Lokal Cafeteria La Fresa. Hier gibt es laut Google die besten Empanadas de pipian, kleine Teigtaschen, die ein bisschen an Ravioli erinnern. Sie werden aber frittiert (wie so vieles hier in Kolumbien) und sind mit einer Füllung aus Kartoffeln und Erdnuss gefüllt. Die sind echt megalecker aber auch ganz schön mächtig. Gut, dass wir nur eine Portion bestellt haben. Dazu gibt es eine Erdnusssoße, die es allerdings in sich hat, denn die Beschreibung muy picante ist ne glatte Untertreibung…

Direkt in der Nachbarschaft dieses kleinen Cafés gibt es ein Musikgeschäft. Ein Traum für Instrumentenliebhaber. Hier gibt es alles, was man für eine gut ausgestattete Salsa-Band braucht. Wie schade, dass wir auf dem Motorrad so wenig Platz haben, sonst hätte ich mir vielleicht echt eine von den niedlichen Ukulelen gekauft. Aber das ist nicht drin.
André liebäugelt mit den Mundharmonikas… und kauft schließlich eine Bluesharp… die passt gerade noch so ins Gepäck 😉.

Da wir schon mal in der Richtung unterwegs sind gehen wir gleich zur Iglesia de San Francisco weiter. Eine wunderschöne Kirche, die aber leider geschlossen ist. Da müssen wir hier wohl heute Nachmittag noch einmal hin..




Nächster Programmpunkt unserer Sightseeingtour ist die Puente Del Humilladero,
eine schöne alte Ziegelbrücke, die über den Rio Molino führt. Hier gab’s auch einen kleinen Markt, wo Indigene Kunsthandwerk verkaufen.







Ein Stück weiter erreichen wir den zweiten Ort unserer kulinarischen Reise, das MoraCastilla. Dieses Restaurant ist gleich für zwei weitere Spezialitäten Popayans bekannt.



Wir bestellen sie beide: Salpicon Payanes, das ist ein traditionelles, erfrischendes Getränk, eine Mischung aus verschiedenen Früchten, vor allem Mora de Castilla (eine Brombeerart), Lulo, Guanábana. Wir haben es mit einer Kugel Vanilleeis bestellt und es war einfach göttlich!

Die zweite Spezialitä ist TAMALES DE PIPÍAN. Im Grunde handelt es sich bei diesem Gericht um die gleiche Füllung wie bei den oben genannten Empanadas pipian, allerdings wird die Füllung hier in ein Bananenblatt gewickelt und gedünstet. Nicht so ganz mein Fall, aber André fand es lecker. Ich bin dann lieber beim Süßen geblieben und hab mir ne Waffel pandebono bestellt 😋.







Ein Programmpunkt auf unserem Rundgang fehlt uns noch. Die Ermita de Jesús de Nazareno,
Popayans älteste Kirche aus dem Jahr 1546. Ein schlichtes Ding. Es erinnert mit seinen drei Glocken über dem Eingangstor an die spanischen Kirchen in den Western. Leider war auch sie geschlossen. Schade, ich hätte sie mir gerne von innen angeschaut.




Auf dem Rückweg geht es nochmals zum Parque Caldas.



Wir können einfach nicht anders und suchen uns ein zweites Mal eine Bank. Es ist super witzig, zum Teil begegnen einem hier wieder die gleichen Gesichter. Manche Menschen scheinen sich den ganzen Tag an diesem Platz aufzuhalten, oder sie sind Wiederholungstäter und kommen einfach wieder hierhin zurück. Es ist aber auch einfach fantastisch. Eine Oase der Ruhe, zum Runterkommen, chillen…

Wir sitzen hier noch einmal eine Weile, genießen die Atmosphäre und warten darauf, dass die Zeit vergeht…

… bis wir zum wiederholten Mal zur Iglesia de San Francisco gehen können…


Jetzt hat sie geöffnet und wir können uns diese schöne Kirche auch von innen ansehen.
Die Iglesia de San Francisco in Popayán, Kolumbien, ist eine der beeindruckendsten Kirchen der Stadt und ein herausragendes Beispiel für den neugranadinischen Barock.

Die heutige Kirche wurde zwischen 1765 und 1788 gebaut, nachdem die erste Kirche aus dem 16. Jahrhundert durch ein Erdbeben im Jahr 1736 zerstört wurde. Sie hat im Laufe ihrer Geschichte mehrere Erdbeben überlebt und wurde nach dem schweren Erdbeben von 1983 restauriert.


Die Kirche gilt als das beste Werk des neugranadinischen Barocks. Sie zeichnet sich durch eine monumentale Fassade mit salomonischen Säulen und Skulpturen von Heiligen aus. Im Inneren befinden sich beeindruckende Altäre, darunter ein vergoldetes, geschnitztes Retabel (Altaraufsatz), das als eines der herausragendsten Werke der kolonialen religiösen Kunst gilt. Der Púlpito (Kanzel) im plateresken Stil wird als der beste in Kolumbien angesehen.

Aufgrund ihrer historischen und architektonischen Bedeutung wurde die Kirche 1996 zum Nationalen Denkmal Kolumbiens erklärt.



Vor der Kirche ist um diese Uhrzeit richtig was los. Wirkte der Platz heute Mittag noch fast wie ausgestorben ist hier jetzt richtig Leben. Jugendliche Halbstarke nutzen die Treppen des Platzes um an ihren Skateboard-Kunststücken zu feilen. Familien gehen spazieren. Mehrere Fressbuden haben geöffnet und vor der Stand mit den Fresas von Crema hat sich eine meterlange Schlange gebildet. Kommt mir vor wie bei einem unsere beliebtesten Frozen-Yoghurt Läden in Bielefeld 🤪.
Wir verschwinden wieder und kommen auf dem Weg zum Hotel zum dritten Mal an unserem Lieblingsplatz vorbei.


Auch in der Abendsonne ist der Platz immer noch gut besucht. Diesmal setzen wir uns auf eine Bank mit Blick frontal auf das Denkmal Caldas‘. Dorthin, wo heute morgen noch die Pferdchen standen und Kinderfotos gemacht wurden.

In der untergehenden Sonne schlendern wir das kleine Stückchen weiter bis zu unserem Hotel. Wir haben zum Abendessen einen Tisch reserviert und das Gran Menú bestellt.

Das Restaurant ist für sein Sechs-Gänge-Menü bekannt. Steht sogar im Reiseführer. Na, das wollen wir uns dann nicht entgehen lassen und lassen es heute mal richtig krachen.


Mit 180000 COP echt für hiesige Verhältnisse unfassbar teuer, wenn man es aber mit Deutschland vergleicht, sind die ca. 45 € pro Person für so ein Menü sensationell günstig.






… und es hat sich echt gelohnt. Das tolle Essen hat unsere kulinarische Reise durch Popayan super abgerundet.


Total vollgefuttert liegen wir im Bett. Morgen früh geht’s weiter, dann geht’s in die Berge. Wir wollen nach San Augustin…
