3. August
Heute morgen hat uns Amy noch gesagt, dass sich eine Freundin bei ihr gemeldet hat, bei der wir eventuell das Motorrad in Seattle unterstellen können. Sie hat zwar keine Garage, sondern nur einen Unterstand, aber immerhin schon einmal eine Option?. Amy und ich wollen über WhatsApp in Kontakt bleiben… ich hoffe, das klappt.
Nach dem Frühstück geht es los. Wir haben heute etwa 4 Stunden Fahrt vor uns und wollen am Meziadin Lake campen.
Die Landschaft ist wunderschön, rechts und links Wald, hin und wieder ein See oder Fluss, im Hintergrund immer die Berge…
Da wo die Berge sind ist schon wieder Alaska.
Wir fahren im Grunde die ganze Grenze von British Columbia zu Alaska Richtung Meer ab.
Rechts und links der Straße verströmen tausende gelber Blumen einen wunderbaren Duft. Es riecht nach Sommer und Frische.
Immer wieder fahren wir am Dease River entlang.
Irgendwann machen wir an einem Rastplatz Pause.
Ein Pärchen aus Deutschland kommt dazu und wir tauschen uns über unsere Reiseerlebnisse aus. Die beiden erzählen uns, dass es sich auf jeden Fall lohnt, bei Meziadin Junction auf die 37A nach Stewart BC und Hyder abzubiegen – schon alleine, um die Bären beim „Lachse fressen“ zu beobachten. In Hyder am Fish Creek ist gerade Salmonrun und da hätten sie einen Boardwalk für Touristen aufgebaut, von dem man die Bären beobachten kann. Das hört sich interessant an bedeutet aber einen Umweg von 140 km in etwa…
Wir vertagen die Entscheidung und fahren erstmal weiter.
Es geht jetzt durch Schwarzbärengebiet.
Sowohl Amy als auch das Pärchen vom Rastplatz haben uns vorgewarnt vorsichtig zu fahren, denn auf den nächsten 100 km sind viele Bären unterwegs und laufen teilweise völlig entspannt über die Straße.
Die erste Bärenbegegnung ist gleich eine der niedlichsten. Leider haben wir nicht die pole position – die hat ein Camper direkt vor uns… Am Wegesrand taucht eine Bärenmami mit ihren beiden Kindern auf und beschäftigt sich mit den Kleinen völlig angstfrei. Der Camper steht direkt daneben. Wir beobachten alles aus der Ferne. Irgendwann geht zuerst die Mama die Böschung hinunter und dann tapsen nacheinander die beiden Kleinen hinterher… und dann sind sie alle in den Büschen verschwunden – voll süß!
Etwas später fahren wir direkt an einem Bären vorbei. Als wir langsamer werden, um ihn zu filmen schaut er erst etwas interessiert und macht sich dann aber aus dem Staub. Ich glaube, die Bären erschrecken sich schneller, wenn sie uns bemerken – Autos nehmen sie kaum war… entweder liegt es daran, dass sie uns riechen können, weil wir eben nicht in einem Auto sitzen oder sie sind den Anblick von Autos einfach mehr gewöhnt.
Als wir weiterfahren entdecken wir Bär Nummer 5. Er sitzt am Straßenrand und frisst Gras. Dieses Mal warten wir mit etwas Abstand, damit er uns nicht bemerkt und können ihn gut beobachten.
Immer mal wieder huscht ein Bär über die Straße.
Insgesamt sind es auf dieser Strecke 9 Bären. Oft sind wir aber zu weit weg, um sie zu filmen oder zu fotografieren. Also genießen wir den Augenblick und André muss natürlich höllisch aufpassen, dass ihm keiner ins bike läuft…
Mit dem Fotografieren ist das auch so ne Sache… Es ist wie verhext, als wollten die Bären mich austricksen ?. Immer wenn ich die Kamera oder das Handy gerade weggepackt habe, steht plötzlich wieder ein süßes Exemplar am Straßenrand. Als könnte der Bär kein Wässerchen trüben, tut er total teilnahmslos. Wenn ich dann die Kamera rausgefummelt habe… Ätschibätschi, dreht er sich weg ?? (stellt euch das nicht so einfach vor hinten auf dem Motorrad während der Fahrt: Handschuhe – an – aus, enge Jackentaschen, rechts Handy, links Kamera… ??). Sitze ich aber erwartungsvoll hinter André die Kamera im Anschlag, dann bekommen wir garantiert keinen Bären zu Gesicht, bis mir der Arm abfällt…
An einem Bären z.B. fuhren wir vorbei, da war ich zu spät… muss erst die Kamera herauskramen. Wir fahren zurück und suchen die Büsche ab. Da schaut er total süß direkt vor unsere Nase aus dem Busch raus, als ich die Kamera draufhalte duckt er sich… Will der Verstecken spielen oder was? Zweimal, dreimal immer das gleiche Spiel… Wäre schlau gewesen, wenn ich einfach die ganze Zeit gefilmt hätte – später ist man immer schlauer ?!
Wir erreichen Meziadin Junction gegen 18:30h.
Jetzt müssen wir uns entscheiden: Entweder links den Highway 37 weiter runterfahren und in 5 Minuten das Zelt aufbauen oder nochmals eine Stunde Fahrt dranhängen und auf der 37A nach Stewart BC hochfahren. So richtig begeistert ist André von dieser Vorstellung nicht… der Hintern tut weh und wir sind beide totmüde. Aber es lockt die Vorstellung statt des Zeltaufbaus einfach ein Zimmer zu nehmen…
Die Werbeslogans an der Wegkreuzung werben mit B&B und famous best bear viewing ?. Also … Zähne zusammenbeißen und weiter!
Und diese Entscheidung hat sich echt gelohnt!
Gleich ein paar Kilometer weiter gibt es zur Belohnung erst einmal noch einen Bären der zur Seite huscht und dann erwartet uns eine einfach unglaublich tolle Berglandschaft…
Man hat den Eindruck mitten durch die Alpen zu fahren … nur ist alles irgendwie weiter – größer…
Wahnsinnig hohe Berge, auf den Gipfeln Gletscher, die Berghänge in den verschiedensten Grüntönen… Zwischen dem Grün sieht man Wasserfälle die Berghänge herunter rauschen.
Im Tal treffen sich die Wassermassen in einem Fluss, der mit der Zeit mal breiter wird und träge dahinfließt oder sich durch schmale Schluchten quetscht und dann in reißenden Stromschnellen an Kraft gewinnt. Die tief stehende Sonne taucht alles in ein ganz besonderes Licht…
Als wir auf Stewart zufahren wird das Flussbett rechts von der Straße immer breiter, direkt neben der Straße rechts und links fängt sofort das Wasser an. Sieht so aus, dass die Straße mitten im Flussbett gebaut wurde. Die Bäume, Büsche… alles steht mit den Füßen im Wasser. Wenn es hier mal richtig gießt, dann ist diese Straße sicher nicht befahrbar und der Ort vom Rest der Welt abgeschnitten.
Wir erreichen Stewart gegen 19:30 und steuern das House Austria B&B an. Dort ist noch ein Zimmer frei.
Der Wirt, Martin, empfiehlt uns, entweder jetzt (also spät am Abend) oder früh am Morgen gegen 6 Uhr nach Hyder hochzufahren. Dann hätte man die besten Chancen am Fish Creek Bären zu beobachten… Okay – 6 Uhr morgens kommt für uns nicht in Frage, dafür sind wir zu platt,
…also fahren wir jetzt gleich noch los ? … was für ein Tag!
Es geht erst einmal raus aus dem Ort, am Hafen vorbei, dort wird anscheinend mit Holz gehandelt… überall treiben riesige Massen an Baumstämmen im Wasser, außerdem sieht man die Überreste irgendeiner Industrieanlage (hoffentlich die Überreste… wenn das noch in Betrieb ist ? so wie das aussieht).
Ist schon interessant, wir sind hier mitten in den Bergen und haben Zugang zum Meer… die Möwen fliegen herum und es riecht nach Salzwasser. Stewart BC liegt an der Mündung des Bear River in den Pazifik , die über zig Kilometer ins Inland geht und die Grenze zu Alaska bildet…
Kurz hinter dem Hafen geht es über eine Brücke nach Alaska. Nur 5 Minuten von unserem B&B entfernt und schwupps … sind wir in den USA ??- ganz ohne Esta – Schnickschnack?.
Tja – dies ist wahrscheinlich die einzige unbewachte Grenze zu den USA (zumindest von US – Seite), wo jeder einfach so unbehelligt hinüber spazieren kann…
Aber wer will da auch schon hin? Hyder ist eine Sackgasse, du kommst hinein aber auf der anderen Seite nicht wieder hinaus – es sei denn, du kraxelst über die hohe Bergkette! Dementsprechend trostlos und ausgestorben ist der Ort… die armen übrig gebliebenen Leute, die hier noch wohnen! Es ist total runtergekommen und ausgestorben.
Die Besucher, die herkommen bleiben nicht lange…
Einmal zum Fish Creek: Lachse und Bären gucken und dann wieder zurück. Wir haben denselben Plan ?. Es geht ein Stück durch den Ort, am Campingplatz vorbei (der einzige belebte Platz weit und breit) die Straße hinauf und wir erreichen einen Parkplatz mitten im Nirgendwo. Hier steppt der Bär… hier sind all die Leute! Na, das wird dann mit dem Bären gucken wohl nichts werden… so voll wie der Parkplatz ist!
Egal, wir versuchen unser Glück und zahlen den Eintritt zum boardwalk – jetzt, wo wir schon mal da sind.
Und dann erlebten wir ein Spektakel, das wir so noch nie gesehen hatten. Es war eine unglaubliche Stimmung – der boardwalk geht erhöht am Fish Creek entlang und gibt den Blick auf das Wasser frei…
… und in dem Wasser ist Bewegung! Es ist schwarz vor Fischen!
Wo das Auge hinreicht zappelt und springt es – hunderte fette Lachse versuchen mehr oder weniger erfolgreich den Fluss hinauf zu schwimmen und zu springen. Es ist eine regelrechte Schlacht um den ersten Platz. Über und untereinander versuchen die Fische aneinander vorbei zu kommen, beißen sich, drängeln sich weg… mittendrin kreischende Möwen, die darauf warten, dass eines der riesigen Tiere schlapp macht und so zur leichten Beute wird.
Fehlen nur die Bären!
Der Tisch ist reichlich gedeckt! Ein Bär versteckt sich weiter oben in den Büschen… Ganz ehrlich, wenn ich Bär wäre, würde ich hier auch nicht runterkommen – viel zu voll hier und vor allem zu laut. Der ganze boardwalk steht voll mit amerikanischen Rentnern, die sich lautstark unterhalten! Super! Die scheinen das mit der Tierbeobachtung echt gut verstanden zu haben, aber vielleicht kommt ja mal ein besonders neugieriges Exemplar vorbei um blöde laute Menschen zu gucken ???.
Das war also nix, trotzdem war es worth it – wie die Amis immer sagen ? – schon der Anblick der Lachse hat sich echt gelohnt und auf dem Rückweg hatten wir noch einen sehr stimmungsvollen Blick auf einen Nebenarm des Fish Creek.
… die untergehende Sonne, der sich bildende Dunst über dem Wasser, ein Biber, der am Wasser sitzt … und alles ohne Gequatsche … schön ?.
Auf dem Rückweg werden wir von den Kanadiern an der Grenze kontrolliert… raus aus den USA kann also nicht jeder ?!
Zurück im Stewart lassen wir den Abend mit Pizza und griechischem Salat ausklingen… Wir sind nicht die einzigen Gäste – scheint für Motorradfahrer recht beliebt zu sein – aber die letzten Gäste?!
4 Gedanken zu „Der Tag der Bären – auf dem Cassier Highway von Dease Lake nach Stewart BC“
08.08.2019 – Eine abwechslungsreiche Tagesetappe, „Bären on tour“ am Straßenrand, faszinierendes Bergpanorama und „Lachse ohne Ende“ am Boardwalk in Hyder. Vermutlich waren die Bären so spät abends bereits satt!!! Euer Abstecher nach Stewart BC hat sich für mich als externen Betrachter auf jeden Fall gelohnt und auch ihr beide schaut glücklich und zufrieden „drein“. Super Fotos – toller Text!!!
Danke für die Blumen ?
Hallo Antje und André,
wir sind das Pärchen vom Rastplatz, das euch von Stewart und dem Boardwalk am Fishcreek in Hyder erzählt hatte. Toll, dass ihr trotz Müdigkeit den Abstecher gemacht habt! Nur schade, dass ihr keine Bären beim Lachsfang beobachten konntet. Aber schön, dass sich die Fahrt nach eurer Ansicht dennoch gelohnt hat.
Es macht uns Spaß euren Bericht zu lesen und wir müssen des öfteren schmunzeln, weil uns einiges sehr bekannt vorkommt, z.B. haben wir auch bei Peter in Watson Lake gewohnt, lange mit ihm diskutiert und sind dann in der Bücherei gelandet, um das Internet zu nutzen.
Wir freuen uns auf die Fortsetzung eures Reiseberichtes im nächsten Jahr!
Alles Gute für euch und viele Grüße!
Carmen und Gerd
Hey, das ist ja schön von euch zu hören! Prima, dass euch die Berichte gefallen und euch einiges bekannt vorkommt… die Welt ist dann doch eher klein und man reist auf ähnlichen Pfaden ?. Liebe Grüße und wir freuen uns, wenn ihr nächstes Jahr weiter dabei seid!