Somoto Canyon

Nach einer leider nicht sehr erholsamen Nacht (wie bereits erwähnt hört man die vorüberfahrenden LKW durchgehend in unregelmäßigen Abständen) wollen wir nach dem Frühstück die große Somoto Canyon Tour machen.

Der Cañón de Somoto ist ein Zufluss des Rio Coco. Er wurde erst im Jahr 2004 gemeinsam von einer Gruppe entdeckt und 2006 durch die Nicaraguanische Regierung zum National Monument ernannt. Die Organisation von Brian und Henry Somoto Canyon Tours hat als grundlegendes Konzept den nachhaltigen Gemeinschaftstourismus. Sie bieten verschiedene Touren an. Wir machen die große Abenteuertour, d.h. klettern, wandern, schwimmen, springen…

So ganz geheuer ist mir die Sache nicht, vor allem der Part „springen“ klingt sehr unangenehm… man kann wohl bis zu 20 m tief ins Wasser springen 🙈. Im Leben nicht!

Als wir frühstücken kommt unser Guide Uli.

Uli, das ist abgekürzt von Ulises, ist ein lustiger Typ und spricht kein Wort Englisch… das kann ja heiter werden 🙈.

Wird es auch! Es wird megacool.

Erst einmal müssen wir uns eine Schwimmweste aussuchen. Bei der Nachfrage wegen der Kleidung meint er T-Shirt und Shorts sind ok, es wird halt nass werden und kalt (denn heute scheint kaum die Sonne).

Na Prost Mahlzeit! Wir ziehen die Schwimmwesten an, suchen uns passende Schuhe aus einem großen Haufen Turnschuhe aus, geben Uli unser Wasser und ein bisschen Klopapier (man weiß ja nie, schließlich sind wir 6 Stunden unterwegs), welches er in einem wasserdichten Rucksack verstaut und stapfen in Richtung Bushaltestelle.

Mit dem Bus geht nur ein paar Kilometer die Straße aufwärts. Dort ist die Einstiegsstelle in den kleinen Canyon, in dem wir starten werden.

Bzw. oberhalb … wir kraxeln nämlich am Anfang ein gutes Stück immer schön oberhalb des Wassers herum. Große Steine, kleine Steine… Abgrund, Gebüsch… genau das richtige für mich mit meiner Höhenangst 🤪.

Auf was hab ich mich da wieder eingelassen 🙈!

Aber es ist wunderschön!

Hier ist außer uns kein Mensch, uns umgibt eine unheimlich friedliche Ruhe. Vögel zwitschern, irgendwo hört man Kühe, die Äste knacken unter uns plätschert leise das Wasser. Geradezu berauschend!

Uli erklärt, dass normalerweise viel mehr Wasser im Canyon ist. Nur jetzt, wenn die Trockenzeit anfängt kann man ihn durchlaufen. In den Sommermonaten ist es viel zu gefährlich, dann wird aus dem fröhlich hinplätscherndem Gewässer ein reißender Fluss.

Schließlich müssen wir auf die Flussebene runterklettern. Es geht ein kleines Stück über Geröll und dann dreht Uli sich um und gibt mir zu verstehen, dass ich ihm jetzt besser mein Handy in den Rucksack gebe.

Ab jetzt wird’s nass…

… und der reißt so einiges mit 🙈

Zuerst geht es nur bis zu den Waden ins kalte Nass… und es ist echt kalt 🥶. Nicht so richtig ein Vergnügen. Die Steine im Flussbett sind unterschiedlich groß, teilweise glitschig. Man muss höllisch aufpassen, dass man nicht ausrutscht oder irgendwo zwischen zwei Steinen stecken bleibt.

Irgendwann sagt Uli, dass wir jetzt schwimmen müssen.

Ok, das ist erstmal eine Überwindung, sich in das Wasser hineingleitet zu lassen. Im ersten Moment echt kalt, aber dann richtig schön!

Zumindest für mich… es ist viel leichter, als dieses Rumgestolper zwischen den glitschigen Steinen!

André und Uli finden es glaube ich nicht ganz so cool, denen ist das Wasser zu kalt…

Ich liebe es! Könnte den ganzen Weg nur noch schwimmen.

Wir gleiten durchs Wasser, es ist total still. Man hört nur, wenn wir das Wasser teilen und es plätschert. Rechts und links gehen die Wände des Canyons fast senkrecht hoch.

Auf einmal fliegt ein Schwarm Fledermäuse an uns vorbei und setzt sich ein paar Meter weiter wieder an die Wand… nur um kurze Zeit später wieder hochzuschrecken, als wir sie erreichen, und erneut den Platz zu wechseln.

Es ist einfach magisch!

Plötzlich öffnet sich der Canyon und wir erreichen eine Breite sandige Stelle. Hier können wir wieder aufs Trockene klettern.

Vor uns ist eine Höhle im Fels. Wir klettern ein bisschen hinein. Auch dort hängen Fledermäuse unter der Decke und schlafen.

Wir machen eine kurze Pause, ich nehme das Handy kurz raus, um den Moment festzuhalten, was im Grunde nicht möglich ist.

Pitschnass stehen wir da im Canyon und staunen über so viel Schönheit … und diese herrliche Ruhe!

Danach geht es erstmal ein kurzes Stück zu Fuß weiter. Riesige Steinbrocken liegen auf unserem Weg … gar nicht so einfach, da hochzukraxeln….

Plötzlich sagt Uli, dass wir nun springen müssen.

What? No way! Er fragt, wie hoch wir springen wollen, sind 5 Meter ok? No! Ich will gar nicht!

Er führt mich schließlich zu einer Stelle, wo es nur 2 Meter sein sollen. Von wegen! Von hier oben sieht das verdammt hoch aus.

Unten fließt der Fluss. Ist das denn über tief genug? Er bejaht, aber ich muss schön weit springen! Ach du 💩! Das auch noch! Und zu allem Übel soll ich auch noch den Anfang machen.

Ich kriege die Kriese, stehe da oben auf dem glitschigen Stein und schaue nach unten. Es ist sooo tief! Ich kann das nicht! Dreh mich nochmal um, ne lieber nicht, sonst rutsche ich noch aus. Was für ein Horror!

… und dann springe ich.

OMG, wie tief kann man Bitteschön eintauchen?! Das Wasser klatscht über meinem Kopf zusammen und ich sinke immer noch… ich strampele wie eine Irre nach oben. Bekomme Wasser in die Augen und Nase und Ohren und überhaupt überall hin.

Ich hasse es Wasser in Augen, Nase und Ohren zu bekommen!

… und dann tauche ich wieder auf und schwimme weiter. Ich habe es geschafft! Unglaublich! Was mache ich hier eigentlich?

Wir schwimmen noch ein Stück weiter und kommen an eine weitere Stelle, wo sich der Canyon öffnet. Wir haben die Stelle erreicht, wo der Fluss Tapacali, durch den wir gekommen sind mit dem Comali zusammenfließen und gemeinsam den Rio Coco bilden. Hier machen wir eine längere Pause. Es gibt Banane, Wasser und Kekse und die Sonne kommt tatsächlich auch ein bisschen raus.

Irgendwann wird es uns ein bisschen kalt in den Klamotten und wir gehen weiter.

Es geht wieder durch das Flussbett, die meiste Zeit über die rutschigen Steine. Hin und wieder durchqueren wir den Fluss und dann geht es auf der anderen Seite weiter.

Uli erzählt, dass hier die Grenze nach Honduras gar nicht weit entfernt ist, vielleicht einen Kilometer. Toll, wir hatten gestern voll die Action um in das Land zu kommen und hier im Canyon kannste einfach rüberlaufen… immer das gleiche 🤣.

Immer öfter stoßen wir auf riesige Scheißfladen… Kühe? Wir fragen nach. Ja, hier gibt es Kühe. Die ziehen sich oft ins das Flussbett zurück um Siesta zu machen. Den Haufen nach müssen das viele sein, oder die eine Kuh hat ein Verdauungsproblem…

Als wir um die nächste Flussbiegung kommen, liegen sie plötzlich auf unserem Weg. Zuerst nimmt man die gar nicht wahr, weil sie farblich schön in die Landschaft passen. Die liegen da und pennen, Oder stehen und gucken… auf jeden Fall finden sie uns ziemlich uninteressant.

Wie kommen die denn Bitteschön hier in den Canyon rein? Können die fliegen oder was? Nein, sie klettern… und weil André und ich Uli ziemlich verständnislos und ungläubig anschauen zeigt er hoch an den Hang, wo eine Kuh zwischen den Bäumen ziemlich akrobatisch die Felsen hinaufkraxelt… wie eine Ziege oder Steinbock… wer hätte das gedacht? So sportliche Kühe…

Nach unserem Kuherlebnis kommen wir an eine ziemlich breite Stelle des Flusses. Rechts von uns geht es supersteil die Wand hoch. Uli zeigt hin, dort seilen sich gerade welche ab… Er sagt, dass wären auch Leute von Somoto Canyon Tours, ob wir eine kleine Pause machen wollen, dann könnte er das Abseilen filmen.

Ist uns recht. Wir setzen uns auf einen großen Stein und ich freue mich, dass ich diese Tour nicht gebucht habe. Langsam seilt sich eine Person von dem hohen Fels ab, baumelt da in der Luft herum, bevor sie wieder den Feld unter den Füßen hat und sich weiter herunter gleiten lässt. Mein Albtraum!

Unten angekommen schaut uns ein leicht geschafftes Mädel an und sagt, dass das ganz schön komisch war und sie bezweifle, dass ihr Freund da runterkommen wird. Der hat Höhenangst… Au Backe, der arme!

Eine ganze Weile passiert nix, nur das Seil baumelt verlassen herum, dann schließlich kommt von der anderen Seite ein weiterer Guide angelaufen und redet auf Uli ein. Als die beiden näher kommen erkennen wir, dass es Noel von gestern ist. Wir begrüßen uns und er erzählt, er hätte uns gestern noch überall gesucht… beim Geldautomat, an der Tankstelle… der arme! Und wir standen einfach nur rum und haben Parade geguckt!

Naja, irgendwie geht es bei den Abseilern nicht weiter und uns wird langsam kalt. Also geht es weiter.

Kurze Zeit später wird die Schlucht recht eng und es ist nicht mehr möglich zu laufen, also wieder rein ins Wasser.

Die Strömung ist hier echt stark und man muss super aufpassen nicht mitgerissen zu werden.

Wir hängen am Flussrand und klammern uns an den Steinen fest, die Füße versuchen auf dem glitschigen Steinen Halt zu finden während das Wasser an uns zerrt und versucht, uns in die Stromschnellen zu ziehen. Ganz schön gruselig… wieder einmal denke ich mir, was ich hier eigentlich tue 🙈!

Irgendwann kann man sich auch nicht mehr am Rand festhalten und von Uli kommt das Kommando zuzuschauen. Er setzt sich auf einen der Steine bei den Stromschnellen und sagt, Beine hoch! Floaten! Und aufpassen, dass man sich nicht den Rücken stößt… weg ist er!

Na toll! Jetzt wird also gefloatet…

Wir tun es ihm nach und werden teilweise recht unsanft über die Stromschnellen gerissen. Wie ein Spielball reißt uns das Wasser mit. Es bleibt nur zuzusehen, dass man die Beine und Arme schön hochhält und irgendwie versucht sich nicht Po oder Rücken einzuhauen, was nur bedingt klappt.

Mit der Zeit gewöhnt man sich an diese Art der Fortbewegung und es fängt an richtig Spaß zu machen. So floaten wir ein ganzes Stück durch das Flussbett.

Hin und wieder muss man wieder ein kleines Stück gehen und dann wird wieder gefloatet.

Irgendwann nimmt die Strömung immer mehr zu, der Fluss wird enger und wir sehen, dass wir auf eine Art Wasserfall zusteuern.

Uli gibt uns zu verstehen, bloß aufzupassen, da nicht reinzugeraten. Wir müssen vorher irgendwie an Land. …bzw. Fels, denn rechts und links nur hohe Wände, direkt vor uns eine etwas flachere Stelle, wo man sich hochziehen kann.

Die Strömung zergelt an mir herum und ich versuche krampfhaft mich an diesen blöden Fels festzuhalten. Wie soll man sich dabei denn noch hochziehen? Klappt aber irgendwie und ich fall klatschnass und völlig fertig auf den Fels.

Geschafft!

Denkste!

Ich denke noch, dass jetzt halt wieder geklettert werden muss, da zeigt Uli auf eine Stelle direkt neben dem Wasserfall und sagt

„springen… ist nur ein Meter, vielleicht zwei!“.

Sein Ernst? Ich bin hier gerade diesem Wasserfall entkommen und soll jetzt da runterspringen? Ein Blick in den Abgrund und mir wird schlecht. Unter mir brodelt das Wasser in einer Art Becken, in dem sich das Wasser des Wasserfalls sammelt und durch die Kraft und Form der Steine in einen Strudel verwandelt…

… da soll ich reinspringen? Never! Und natürlich wieder als erste! Versuchskarnickel…

Ich schau nach allen Seiten, nur hohe Steinwände und der Wasserfall. Auf der anderen Seite, hinter dem Wasserfall wird der Fluss ganz breit, fast keine Strömung mehr, fast wie ein kleiner See. Mitten drauf ein einsames Boot mit einem Ruderer. Völlig surreal, wie kommt der denn hierher?

Ich überlege es schon, ob es vielleicht besser wäre sich einfach vom Wasser den Wasserfall runtertreiben zu lassen, da bekomme ich von Uli ein Seil in die Hand gedrückt. Das soll ich festhalten, wenn ich springe und er zieht mich daran dann wieder an die Wasseroberfläche. Na das ist ja eine sehr heimelige Vorstellung 😳!

Irgendwie bin ich dann doch gesprungen, mitten rein in den Strudel. Hab mir vor Angst fast in die Hosen gemacht, aber letztlich war es dann gar nicht so schlimm. Wenn man sich erstmal überwunden hat.

Unten empfängt mich der Typ in dem Boot, breit grinsend. Der sitzt hier wahrscheinlich den lieben langen Tag und schaut den verängstigt Touris beim Sprung ins Ungewisse zu und versteht die Welt nicht mehr… warum in das kalte Wasser springen, wenn man doch Boot fahren kann.

Hinter mir platscht es. André ist gesprungen und taucht prustend wieder auf. Wir schwimmen beide in eine Ecke des „Sees“ und warten. Erstmal passiert gar nichts… springt Uli etwa nicht? Hat der einen Geheimweg ohne zu springen, das wär’s ja noch! Da klatscht vor uns der Rucksack ins Wasser… an dem langen Band, was ich eben noch festhalten musste. Kurz danach springt auch Uli ins Wasser und unsere Truppe ist wieder komplett.

Ab hier geht es schwimmend weiter.

Der Fluss ist relativ breit und tief, wenig Strömung. Langsam gleiten wir durch die Stille. Die Schlucht wird breiter und Uli gibt uns ein Zeichen wieder an Land zu kommen. Hier sitzen wir auf den Steinen, ich kippe erfolglos Sand und kleine Steinchen aus meinen Schuhen… und warten… auf das Boot. Aha! Dafür ist das da! Der Typ schippert hier den Tag über auf dem Flussstück herum und wartet darauf durchnässte Touris zu transportieren.

Als das Boot da ist klettern wir hinein und freuen uns das nächste Stück weder klettern noch schwimmen zu müssen. Durch die nasse Kleidung ist uns inzwischen schon ganz schön kalt… ein Königreich für einen Neoprenanzug!

Irgendwann kommen wir an einen improvisierten Hafen. Hier liegen noch ein paar Boote und der Fluss wird wieder flach und steinig.

Also steigen wir aus und gehen zu Fuß weiter. Es ist nicht mehr weit, sagt Uli, nur noch 4 Kilometer laufen, dann sind wir wieder bei den Cabins.

Das werden die ungemütlichsten 4 Kilometer meines Lebens. Nach kurzer Zeit hab ich wieder Sand und Steinchen im Schuh, die anfangen unangenehm zu schubbern. Raus bekommt man das Zeug nicht, dafür ist alles zu nass. Die nassen Klamotten kleben an der Haut und machen das Laufen unangenehm. Es geht über Stock und Stein. Zu allem Überfluss fängt es an zu regnen und es kommt ein Wind auf, der uns den Regen ins Gesicht peitscht.

Als wir das Ende des Weges erreichen müssen wir noch einmal durch den Fluss. Er ist hier recht breit und ein „Weg“ aus großen flachen Steinen, die vom Wasser überspült werden, führt hinüber zur anderen Seite.

Große, flache und glitschige Steine wohlgemerkt…

… uns kommen zwei Frauen entgegen, die laufen einfach mit ihren Pumps durch das Wasser auf den Steinen entlang, die eine mit langen Hosen, deren Beinenden nach kurzer Zeit klatschnass sind…

… was sind wir doch für Weicheier!

Hinter der Flussquerung geht es noch einmal steil den Berg hoch, immer schön durch den kalten Regen bis wir dann endlich total durchgefroren bei den Cabins ankommen.

Jetzt ne heiße Dusche! Ach ne, ist ja nicht… die Duschen sind ja kalt 🙈. Egal Hauptsache sauberes Wasser und Shampoo und danach in warme trockene Klamotten.

Nach der Dusche geht’s schon besser. Wir mummeln uns in unser Woolpower ein und gehen zum kleinen Restaurant rüber, wo unser Lunch wartet…

Lunch ist gut, da es inzwischen fast 4 Uhr am Nachmittag ist wird das wohl eher ein Dinner.

Das Essen ist mega. Sulema hat ein total leckeres Hühnchen mit Gemüsesoße gekocht, ihre Spezialität. Es erinnert ein bisschen an ein Gulasch nur halt mit Huhn. Nach diesem anstrengenden Tag auf jeden Fall genau das richtige. Dazu ein Bierchen und alles ist gut 😌.

Als wir fast fertig sind kommen die Abseiler, zwei Deutsche. Das Abseilen hat dann mit kleinen Tricks doch noch geklappt und danach sind sie den Rest des Weges genauso durch die Schlucht gegangen wie wir.

Die beiden hatten ursprünglich geplant hier zu zelten, wegen des Wetters haben sie sich aber dann doch in einen Hotel in Somoto einquartiert.

Wir quatschten noch ein bisschen, dann fahren die beiden und wir fallen todmüde ins Bett.

Morgen wollen wir früh los. Es geht nach Managua zu Mayra, Luisa und Alba, der Gastfamilie von Paulina aus dem letzten Jahr…

2 Gedanken zu „Somoto Canyon

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